SHARING IS NOT STEALING (FAHRRADDIEBSTAHL WAR GESTERN)

Die ultramodernen Politiker, die dem Bürger den Milliarden-Gutschein für Musik, Filme und Bücher als „freies Sharing digitaler Inhalte“ in Aussicht stellen, erleben unglaublichen Auftrieb. Der Mob sagt „prost, jawoll“. Etappenziel erreicht. Einzig die gesamtgesellschaftlich wenig relevante Gruppe der Künstler und ihrer Geschäftspartner ist verärgert und fühlt sich ausgebeutet. Nun, da Künstler zwar manchmal lautstark, aber im Herzen doch friedliche Menschen sind, von denen kaum eine Gefahr nennenswerter Anschläge und Racheakte ausgeht, stört das die ultramodernen Politiker nicht sonderlich. Sie sind ja basisdemokratisch ausgerichtet. Da geht es um einfache Botschaften und große – relevante – Volksmehrheiten. Mehr Sorge macht den Ultramodernen daher ein gewisses Image, sie kümmerten sich immer nur ums Netz und die freie Datei-Weitergabe. Digital und verschroben wirkt das auf durchaus relevante Menschen die sich ab und zu im realen Leben bewegen. Doch „bewegen“ ist das Stichwort, und die Kritik ließ die Ultramodernen sofort merken, wie ungeahnt ultragenial ihre Anfangsidee ist, dem Volk teure Musik-Film-Bücher-Geschenke zu machen, für die sie selbst nichts bezahlen müssen. So kamen sie unlängst auf die Idee, dem Bürger auch mehr Real-Life-Beweglichkeit zu schenken. Wie das geht? Einfach durch ein Verbot von Fahrradschlössern und die Aufhebung von privatem Fahrrad-Eigentum. Wer mit offenen Augen durch die Straßen geht, sieht dort doch immer wieder haufenweise Fahrräder, die sinn- und nutzlos mit Metallschlössern an Laternen oder Fahrradständern befestigt sind:

Welch eine Verschwendung von Mobilitätsressourcen.  Eine künstliche Herstellung von Mobilitätsmangel aus rein wirtschaftlichen Gründen! Ultra-unvertretbar! Wäre es hingegen möglich und erlaubt, sich jederzeit ein Fahrrad zu nehmen und irgendwo wieder abzustellen, könnten viel mehr Menschen sich flott und umweltschonend bewegen. Man müsste sich nur von der Vorstellung verabschieden, dass es Diebstahl sei, ein Fahrrad zu benutzen, das man nicht selbst erworben hat. SHARING IS NOT STEALING. Was in der digitalen Welt gilt, muss auf die analoge Welt übertragbar sein, wenn es nicht den Ruf einer Nerd-Philosophie haben soll. Da fiel den ultramodernen Politikern dann prompt auch auf, dass die Drahteselmafia nie einen wissenschaftlichen Beweis erbracht hatte, dass freies Fahrrad-Sharing negative Auswirkungen für den Einzelnen hätte. „Dann werden nur noch Schrottmühlen gekauft, die billig, spaßbefreit, unsicher und gefährlich sind“, „dann repariert niemand mehr sein Fahrrad, und es kommt zu mehr Unfällen“, „dann fährt man irgendwo mit dem Fahrrad hin und kommt nicht mehr zurück, weil das Rad weg ist“ – all diese Vorurteile kommen, da sind sich die Ultramodernen sicher, einzig und allein von der Drahteselmafia. Denn woraus besteht diese Mafia? Aus der Metallwarenindustrie (will an Fahrradschlössern und einer Überzahl von Fahrrädern verdienen), aus Versicherungen (wollen an der lächerlichen Schadensprävention des künstlich kriminalisierten „Fahrraddiebstahls“ verdienen) und aus Fahrradhändlern (sehen nicht ein, dass die direkte Fahrradverbreitung von Mensch zu Mensch das Modell der Gegenwart ist). Die Weissagung der Ultramodernen: Wenn man alles Geld, das derzeit in Versicherungen, Fahrradschlösser und Händlerprämien fließt, zusammen nimmt, reicht das locker für eine Reparatur-Flatrate. Jeder kann ein defektes Fahrrad kostenlos reparieren oder gegen ein neues austauschen lassen. Durch die viel häufigere Benutzung von Fahrrädern wäre das Risiko, irgendwo ohne Fahrrad dazustehen, sogar geringer als im Zeitalter des kriminalisierten Fahrraddiebstahls. Sharing ist die Maxime der Zukunft, nicht nur im digitalen Bereich.

AK

Nachtrag: Und wie immer ziehen die ultramodernen Politiker an einem Strang mit den großen Netzmonopolisten und sichern sich damit eine noch breitere internationale Zustimmungsbasis: So sieht das neue Einheitsfahrrad (der zweirädrige Google-Trabant) aus.