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weiter denken…

Kategorie: Kim Dotcom

Menschenrecht2k.to

Mit Movie2k ist letzte Woche eine der meistbesuchten illegalen Webseiten für den Gratiskonsum teurer und beliebter Filme vom Netz gegangen. Es wird spekuliert, ob die Seite im Zuge von Ermittlungen im Kino.to-Fall abgeschaltet wurde. Schließlich ermittelt die Dresdner Staatsanwaltschaft seit längerer Zeit. Allerdings ist die Seite wenige Tage später unter anderem Namen wieder aufgetaucht.

Auf der neuen Seite wird höhnend unter einem Stinkefinger verkündet: „Niemand sollte die Macht haben, jemanden wegen Geld zu richten! Das alles hier ist das Resultat eines kollektiven Bedürfnisses der Menschen nach kostenfreien Medien.“

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Man fühlt sich an die Parolen von Kim Dotcom und The Pirate Bay erinnert. Natürlich schreibt das Portal kein Wort darüber, dass es an den „kostenlos“ vertriebenen Inhalten durch Werbung reich wird, ohne auch nur einen Cent an die Erschaffer der teuer und durch intensiven persönlichen Einsatz hergestellten Werke abzugeben. Die heuchlerische Rechtfertigung dieses Schwindels mündet in dem PS: „Wählt die Piratenpartei“.

Die Piratenpartei dürfte sich aber eigentlich gar nicht zuständig fühlen, die Plattform zu verteidigen. Die Partei hatte sich schließlich im vergangenen Jahr – wohl vordergründig – mehr und mehr von den Machenschaften solcher illegalen Angebote im Netz distanziert. Ihr Ziel war es, ein Image aufzubauen, dass sie keineswegs die Existenzgrundlagen der Urheber als wichtiger Wirtschaftskraft unseres Landes bekämpfe. Floskeln wie „wir wollen die Urheber befreien und stärken“ sind in nahezu allen Urheberrechts-Statements vorhanden. Die Piraten hatten es als schädlich erkannt, wenn der Eindruck entsteht, dass sie stets die Interessen der Infrastruktur-Industrie über die von Kreativen stellen und Kreative zu Kostenloslieferanten ausbeuterischer Portale machen wollen. Pirat Christopher Lauer hatte im Mai 2012 eine sehr eindeutige Ansage gemacht: „Wie mit Internetangeboten wie Megaupload und kino.to umgegangen werden soll, ist auch bei Piraten klar: abschalten!

…abschalten?

Was von dieser Ansage nunmehr – mitten im Bundestagswahlkampf – zu halten ist, führt die Piratenpartei am Beispiel des Kino.to-Nachfolgers Movie2k.to vor. Wer nämlich inzwischen auf die URL der Seite geht, wird von den angeblich der Piratenpartei nicht bekannten Betreibern direkt zur Piratenpartei umgeleitet. Und die zeigt sich, anstatt sich in Erinnerung an die Worte Christopher Lauers entschieden zu distanzieren, hoch erfreut über diesen Aufmerksamkeitsschub und baut inhaltlich voll auf die Geschäftstaktik des Portals auf. Von Distanz oder Abschalten-Wollen ist keine Spur mehr.

Alle, die mal wieder einen teuren Film kostenlos saugen wollen, stoßen nun auf eine demagogische Rede des Piraten Bruno Kramm. Er versucht in einem aufgesetzten Wort-Zum-Sonntag-Stil zu vermitteln, dass das etablierte Urheberrecht nur den großen „Verwertern“ nützt, während es die Interessen der Urheber und Künstler negiert. Auch er sagt kein Wort dazu, dass das illegale Filmportal eine Menge Geld mit den Werken von Urhebern und Künstlern verdient, ohne sie dafür zu entschädigen. Er erklärt natürlich mal wieder nicht, dass es das etablierte Urheberrecht ist, das genau dies nicht zulässt und jedem einzelnen Urheber – nicht per se dem „Verwerter“ – eine Beteiligung am wirtschaftlichen Vorteil seines Werks zugesteht. Was er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln vertuscht: Das Urheberrecht steht dem Geschäftsmodell von Movie2k und anderen anonymen Selbstbedienungsportalen im Wege. Der Kern des Modells ist kostenlose Konsumgüterbeschaffung, also Gewinnmaximierung durch Nichtbezahlung.

Bruno Kramm unterstützt das offenbar und bläst den dabei zwangsläufig aufsteigenden Geruch von Kreativen-Ausbeutung süffisant gegen genau die Geschäftspartner von Urhebern, die sich um die Eintreibung der ihnen zustehenden Anteile am wirtschaftlichen Vorteil ihrer Werke kümmern. Bevorzugt wettert er gegen die GEMA. Er versucht, Ahnungslosen den Eindruck zu vermitteln, er wolle die Stellung von Komponisten und Textdichtern stärken, indem er für mehr Rechte gegenüber der GEMA kämpft. Diese Rechte sollen dann die Verluste kompensieren, die Musikurheber durch das parasitäre Netz-Geschäft erleiden. Tatsächlich will er beispielsweise bewirken, dass GEMA-Mitglieder das Recht bekommen, einzelne Werke kostenlos zu veröffentlichen. Dabei hat die GEMA gar keinen Einfluss auf den Abgabepreis eines Tonträgers. Es geht Kramm also darum, Werke kostenlos medial nutzen zu lassen. Der Allgemeinheit verkauft er es als „Stärkung der Urheber“. Aber es ist nichts anderes, als wenn man gewerkschaftlichen Tarifvertragspartnern das Recht zugestehen würde, einzelne Jobs auch untertariflich zu bezahlen. Es ist eine zynische Form der „Stärkung“.

Bleibt also festzustellen, dass die Piratenpartei trotz aller Bemühungen, Urheber ins Boot zu holen, offenbar nichts dazu gelernt hat und heute schärfer denn je Gratiskultur für Konsumenten nebst Gewinnmaximierung für illegale Portale voran treibt. Schließlich sei es, wie Bruno Kramm mal gesagt hat, ein Menschenrecht, amerikanische TV-Serien (sofort und kostenlos) konsumieren zu dürfen. Wirtschaftliche Fairness und Balance im Netz zu etablieren setzt er mit Ausschluss Einzelner gleich, als diene die Kasse im Supermarkt dem Ausschluss von Kunden. Dass man TV-Serien und Filme auch auf legalem Weg im Netz konsumieren und stöbernd entdecken kann – etwa durch Filmportale wie Lovefilm.de oder Watchever.de – interessiert ihn im Zuge seiner Ansprache nicht. Lieber fischt er in trüben Gewässern nach Wählern.

Da fragt man sich bei all der offenkundigen Interessengleichheit zwischen Portal und Partei, weshalb sich Movie2k.to nicht gleich in Menschenrecht2k.to umbenannt hat. Denn das Tauschen von Filmen ist auf solchen illegalen Portalen, so die höhere Schule des Piratengeschwurbels, nur Nebensache. In Wahrheit geht es da um freie Meinungsäußerung, Demokratie, Teilhabe am kulturellen Leben und Informationsfreiheit. Der kürzlich von Ermittlern aufgesuchte private Uploader, der wohl 120.000 Filme auf das damalige Kino.to hochgeladen hat, verdient eigentlich den Friedensnobelpreis. Und dass etwa 10.000 Besucher minütlich von Movie2k.to zur Piratenpartei umgeleitet werden, zeigt, wie viele Menschen trotz alltäglicher Belastungen aktiv für Demokratie und Menschenrechte kämpfen. Es ist rührend – und für das Portal eigentlich ein guter Grund, den Stinkefinger umzugestalten:

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AK

MUSIK HAT AUSGEDIENT

Ein umfassendes Reading aller wissenschaftlichen Studien zum Thema „Musik im Netz“ konnte heute abgeschlossen werden. Das Ergebnis ist frappierend. Alle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass „Piraterie“ der Musikbranche mehr nützt als schadet. Wahrscheinlich gäbe es ohne Piraterie gar keine herkömmliche „Musik“ mehr.

Der Mechanismus wird einheitlich dargestellt: Wer einen Musiktitel über eine Internet-Tauschbörse oder einen File-Hoster kostenlos saugt, kauft ihn anschließend selbstverständlich zusätzlich bei einem legalen Anbieter. Sollte der Kauf unterbleiben, kann klar davon ausgegangen werden, dass die betreffende Person den Musiktitel auch ohne illegales Gratis-Angebot nie gekauft hätte. Alle Parteien sind also Gewinner des freien Datentausches. Das ist nicht nur erfreulich für Google, Kim Dotcom und die gebeutelten Jungs von The Pirate Bay, sondern zeigt zugleich etwas ganz im Allgemeinen höchst Erfreuliches: Im Netz herrscht hundertprozentige Aufrichtigkeit.

Wenn die Musikbranche nach Gründen für den drastischen Rückgang ihres globalen Umsatzes seit Verbreitung des Internet sucht, muss es dafür plausiblere Gründe als unregulierte Gratis-Verbreitung geben. Aus den Studien lassen sich vor allem zwei gewichtige Gründe schließen. Diese haben zwar durchaus etwas mit dem Netz zu tun, aber in anderer Weise als bislang angenommen.

Der erste Grund: Menschen mögen Musik einfach nicht mehr so gern. Sie sind heute mit anderen Dingen beschäftigt. So wie die Pferdekutsche irgendwann mal ausgedient hat, ist auch Musik ein Relikt alter Zeiten. Gänsehaut, lange als eine magische Wirkung von Musik gefeiert, wird heute eher als störend und unangenehm empfunden. Entscheidend hat zu diesem Auffassungswandel das Netz beigetragen: Über lange Zeit hinweg haben die Menschen nicht gemerkt, dass sie einer gestrigen und von der Musikindustrie aufgezwungenen Kulturform erliegen und sich freiwillig für teures Geld Krankheitssymptome – mitunter auch Tränen oder heftiges Popowackeln – zuziehen. Erst der freie Austausch von aufklärenden Informationen im Netz hat das überkommene Wesen der Musik bloßgestellt. Musikwissenschaftler, von Natur aus gegen Gänsehaut und andere Wirkungen immun, wussten das zwar schon immer, aber ihre Studien waren zwischen Buchdeckeln eingeklemmt und nicht zugänglich, bevor Google anfing, zum Gemeinwohl das Urheberrecht zu brechen.

Der zweite Grund: Musikalische Begeisterung, gilt, wenn es sie noch gibt, kaum noch den Werken von „Komponisten“ und „Textdichtern“. Paul McCartney oder David Guetta sind ebenso Musik-Dinosaurier wie zeitgenössische Konzert- oder Filmkomponisten und überhaupt alle, die dem altmodischen Berufsbild folgen und von ihren Musikschöpfungen leben wollen. Sie haben ausgedient. Musik hat ausgedient. Ein Stück weit zumindest. Heute steht der Prosument im Mittelpunkt der Netzwelt. Er produziert und konsumiert gleichermaßen und ist dank „GarageBand“ nicht mehr auf die zweifelhafte Ware von Profis angewiesen. Jeder erstellt heute im Handumdrehen seinen eigenen Content und schenkt ihn der Allgemeinheit. Dieses harmonische Geben und Nehmen umgeht jeden gewohnten Markt und markiert den Beginn eines Soundcode 2.0. Er wird unter Verwendung des veralteten Begriffs teilweise auch als „freie Musik“ gefeiert, weil er durchaus Ähnlichkeiten mit Musik hat, sein Konsum aber frei von Kosten und Nebenwirkungen ist.

Die Musikbranche sollte also froh sein, wenn sie mit ihrer gestrigen Kulturform im strahlenden Meer des Soundcode 2.0 überhaupt noch Profite erwirtschaftet. Sie sollte vor allem den Prosumenten dankbar sein. Sie erwischen nämlich ab und zu im aufrichtigen Glauben, ein hochwertiges eigenes Stück auf Youtube hochzuladen, versehentlich einen zufällig noch auf ihrer Festplatte herumgammelnden McCartney oder Guetta. Solche Flüchtigkeitsfehler im Bereich des „User Generated Content“ halten die Dinosaurier der Musikbranche am Leben. Plattformen wie Youtube sind da überaus tolerant und nehmen es sportlich in Kauf, dass das verstaubte Image der hochgeladenen Blindgänger auf die Plattform abfärben und Umsatzeinbußen bewirken könnte. Und auch Wissenschaftler sind tolerant. Manche von ihnen legen sogar ein gutes Wort für die Dinosaurier ein und fordern, Musik ab sofort zum Remix frei zu geben. So könnte der dinosaurische Datenmüll durch ein paar Mausklicks auf zeitgemäß kostenfreien Soundcode 2.0 upgegraded werden. Es wäre ja auch unverantwortlich, der Allgemeinheit den Müll vorzuenthalten und ihn nicht frei verfügbar zu machen. Er ist Teil unseres kulturellen Gewissens und ein wichtiger Rohstoff für Neues.

Man sollte also die Dinge ihrem natürlichen Schicksal überlassen und an das Gute im Netz glauben. Vielleicht können sich professionelle Komponisten und Textdichter dann sogar noch längerfristig als kulturelle Randerscheinung halten. Es gibt schließlich auch immer noch Kutscher.

AK

PS (02.04.2013): Nicht alle Leser haben verstanden, dass der obige Text ein Aprilscherz ist. Vielleicht liegt das daran, dass für Netzideologen jeder Tag ein erster April ist und wir solchen Jargon schon gewohnt sind.

ANNETTE SCHAVAN versus MASHPUSSY

Wir sind die ProsumentInnen. Wenn wir remixen, schreiben wir die Geschichten von Liedern, Romanen und Filmen weiter. Die Kopie ist unser Herzschlag. Sie ist der Puls des Netzes, wir können gar nicht anders als die ganze Zeit kopieren. Die Kopie ist der Reproduktionsprozess unserer Remix-Kultur, die Zellteilung, auf der jeglicher Informationsfluss beruht.

Das ist das Credo von Mashpussy, die in ihren fünf Pussyrants ausdrückt, was auch die untergehende Piratenpartei im Namen der Netzgemeinde predigt: Ein Grundrecht auf Remix, das Recht auf freies Sharen von digitalisierten Werken und eine Beschränkung der Kontrolle, die Urheber über ihre Werke ausüben können.

Aber ist der Wunsch neu? Zu treffend für bloße Satire berichtet EINE ZEITUNG, dass die Mehrheit der Internetgemeinde die auf ihrem Doktortitel ausgerutschte Annette Schavan im Bildungsministeramt lassen will, „weil sie schon 1980 copy & paste mit Schreibmaschine beherrschte“. Schavan hat, so betrachtet, ebenso wie Karl-Theodor zu Guttenberg einfach Paste-Kultur gelebt und Bestehendes ohne lästiges Zitieren „weiter geschrieben“. Ihre Doktorarbeit ist ein Mashup und sie ihrer Zeit weit voraus. Karl-Theodor zu Guttenberg hatte die Zeichen der Zeit mindestens findig erkannt und das Pasten mit moderneren Mitteln auch etwas umfangreicher betrieben.

Leider hält Mashpussy seit einiger Zeit den Rant. Fragen wir also die Piratenpartei zum Fall Schavan. Die sagt:

Eine Person, die in ihrer Dissertation geistige Leistungen anderer als ihre eigenen ausgegeben hat, ist nicht dazu geeignet, das Amt der Bildungsministerin glaubwürdig auszufüllen.

Seltsam. Das klingt irgendwie gar nicht piratig-mashig-netzgepulst. Bruno Kramm, der Mashmacker und Urheberrechtschefclown der Piratenpartei, bläst dasselbe dröge Horn:

Piraten fördern die freie Kopierbarkeit und das Verarbeiten fremder Werke ohne urheberrechtliche Barrieren. Dabei spielt für uns die Verbundenheit und Ehrlichkeit gegenüber den Autoren die wir zitieren, ein große Rolle. Plagiateure wie Anette Schavan demonstrieren eine verlogene Doppelmoral.

Ach was? Verbundenheit und Ehrlichkeit? Das sind nicht gerade die Gründungswerte der Piratenpartei. Auch die „geistigen Leistungen anderer“ standen nie als schützenswert im Zentrum. Wo immer im Jahr 2012 Kreative auf Würdigung und Abgrenzung ihrer geistigen Leistung bestanden, hörten sie von Piraten Dinge wie: Ihr macht doch gar nichts Besonderes, sondern krempelt nur das euch nicht gehörende Kulturgut ein bisschen um; das können im Zweifelsfall sogar Computer; es ist nicht hinreichend um daraus irgendwelche Vorrechte abzuleiten. „Geistiges Eigentum“, an das man bei den aktuellen Statements schon denken kann, lehnte die Piratenpartei ab und folgte lieber mit Mashpussy dem Leitbild der Wissensallmende mit fröhlich-frivol-kostenneutralem Gemeineigentum am Werkschaffen des (hoch geschätzten und natürlich nicht ausgebeuteten!) Einzelnen.

Da ist es doch erstaunlich, dass Annette Schavan von den selbsternannten Ideenkopierern nun nicht geschont, sondern angegriffen wird: Sie habe sich fremde Inhalte zu eigen gemacht. Das wirft ein neues Piratenlicht auf File-Sharer und Betreiber kommerzieller Hosting-Plattformen, die sich ebenfalls Werke Anderer zu eigen machen, indem sie sie benutzen, um sich gegenseitig Konsumvorteile oder Profite zuzuschustern, die komplett an den Erschaffern der „geteilten“ Inhalte vorbei gehen.

Ja, hier musste ein bisschen Platz für einen Piratenaufschrei gelassen werden. Es ist doch klar, dass die Fälle nicht in jeder Hinsicht vergleichbar sind. Ungehinderten Datentausch und korretes Zitieren kann man durchaus gleichzeitig fordern. Wenn man aber den größeren Kontext beachtet, erklärt sich das schale Gefühl, das die Piraten mit ihren aktuellen Statements hinterlassen: Solange es um das korrekte Zitieren in der Wissenschaft geht, sind strenge Regeln zur Abgrenzung geistiger Eigenleistungen von dem untergeordneten Informations-Kollektiv genehm. Sobald im Bereich der wirtschaftlich ausgerichteten Kulturgüterproduktion Vergütungsregeln (Verwertungsvorgänge) ins Spiel kommen, wird aber das Informations-Kollektiv als übergeordnet herangezogen, um die Eigenleistung zu schmälern. Auf Deutsch: Geistiges Eigentum ist so lange okay, wie es nichts kostet und keine Zugangsbeschränkungen bedingen kann. Das ist dann wohl der Kern der Piraten-Regel, dass seine gewissenhafte Nennung das einzige verbindliche Recht eines Urhebers sein sollte. Denn ein wahrhaft ideeller Urheber möchte doch niemals Geld mit seiner Leistung verdienen. Er ist stolz, rezipiert und zitiert zu werden. Gestützt wird die Regel, und das macht Fälle wie den Schavans hochschulintern pikant, von einigen Hochschullehrern mit einer gewissen Genugtuung, weil sie es mangels Wirtschaftlichkeit ihrer eigenen Werke gewohnt sind, nur fürs Gelesen- und Zitiertwerden in kleinen Fachkreisen zu schreiben. Sie haben mit der Minimalisierung des Urheberrechts durch Streichung von Urheberansprüchen aufgrund von Nutzungsvorgängen nichts zu verlieren. Eher gewinnen sie gegenwärtig durch den modern-piratigen Anstrich ein bisschen an Coolness und Publicity und nebenbei mehr Freiheit, fremde Werke für ihre Netz-Präsentationen zu verwenden. Jedenfalls liegt einigen die Forderung, dass doch bitte alle Kreativschaffenden dieses unwirtschaftliche Minimalprinzip leben sollten, auch wenn ihre Werke für deren Verwerter wirtschaftlich hoch einträglich sind, alles andere als fern.

Wenn man spasseshalber mal akzeptiert, dass die Nennung alles ist, was ein Urheber an verbindlicher (also auch einzufordernder) Wertschätzung seiner Arbeit erwarten darf, stimmt auch Bruno Kramms Satz: „Die PIRATEN vertreten ein positives, schöpferisches Menschenbild. Wir schätzen die Meinungen, das Wissen und die Schöpfungen anderer.“ Jeder schätzt die Schöpfungen Anderer eben auf seine Weise: Es ist Ausdruck höchster Wertschätzung, wenn Konsumenten Werke auf Tauschbörsen in Umlauf bringen. „Sharing is Caring“. Kim Dotcom hilft der Menschheit, all die großartigen Werke kostenlos tauschen und konsumieren zu können. (Bloß finden sich auf seinen Plattformen seltsamerweise so gut wie keine wissenschaftlichen Werke, sondern nur solche mit kommerziellem Potenzial. Warum eigentlich???) Das ist Ausdruck seiner Wertschätzung und kulturellen Ader. Die Piratenpartei setzt sich für das freie nonkommerzielle Privatkopieren ein, weil sie Kultur so sehr schätzt, dass an ihre Verbreitung keine Bedingungen geknüpft werden dürfen. Und wenn kommerzielle Plattformen an diesen nonkommerziellen Kopiervorgängen reich werden, ohne Urheber zu beteiligen, ist das der Piratenpartei herzlich egal.

Ja, im piratösen Nebel gibt es für jeden Nutznießer des schiefen Freiheitsverständnisses eine heiligende Schwurbelei. Für Kreative gibt es immerhin eine Beschwichtigungsformel: Wenn sie wirklich Künstler sind, kommt es ihnen auf Profit gar nicht an. Piratiges Auftreten macht also nicht nur Wissenschaftler, sondern auch sie cool und hilft ihnen im Fall von Zweifelhaftigkeit, zu beweisen, dass sie echte Künstler sind, von denen nur böse Zungen behaupten, es ginge ihnen um Geld. Einigen nützt das.

Nur für Annette Schavan gibt es aktuell nichts Nettes. Seltsam. Es könnte doch Ausdruck ihrer höchsten Wertschätzung gegenüber den benutzten Textstellen sein, dass sie die Gedanken weiterentwickelt hat. Zu viel korrektes Belegen hätte sie in ihrer Schreib-Freiheit behindert. Vielleicht wäre das Werk dann insgesamt viel schwächer geworden, oder sie hätte es neben der politischen Arbeit – wie auch Karl-Theodor zu Guttenberg – gar nicht fertig stellen können. Sie hat auch nichts gestohlen, denn die Textstellen sind im Original noch da. Da wurde bestimmt nichts aus Unikaten ausgeschnibbelt! Plagiieren ist technisch heute im Übrigen ganz einfach möglich und wirklich sehr, sehr verbreitet. Wir werden es nie völlig verhindern können. Müssen wir uns dieser Realität nicht einfach stellen anstatt mit Sanktionen dagegen vorzugehen? Sollte, falls wir Doktortitel überhaupt noch brauchen, nicht sowieso lieber das mildtätig-neutrale Unternehmen Google anstelle von korrupten Universitäten entscheiden, wer einen solchen Titel verdient hat? Google ist jedenfalls schneller im Aufdecken von kopierten Passagen als ein durchschnittlicher Professor.

Nein, im Fall Schavan endet für die Untergangspiraten dann doch strikt die Freiheit im Umgang mit fremden Inhalten. Damit schlägt allerdings auch das Rechtfertigungs-Rettungsschiff der Piraten Leck, nämlich weil deutlich wird, wie sehr verbindliche Regeln im Umgang mit geistigem Gut als Teil einer nicht nur oberflächlichen Freiheit gebraucht werden. In der Wissenschaft wird das von den Fürsprechern der „freien Kultur“ so sehr gepriesene „freie Schreiben“ und ungehinderte Remixen durch das Gebot der Zitation deutlich erschwert. Das ist für die Schreiber aufwändig und lästig, sichert aber langfristig Qualität. Auf dem Kulturgütermarkt wird das „freie Verbreiten“ durch das Gebot der Vergütung und Einwilligung zur Bearbeitung erschwert. Das ist auch aufwändig und lästig, sichert aber langfristig ein Stück Qualität von Werken und die Teilhabe der Erschaffer am wirtschaftlichen Vorteil der Werkverbreitung. Es hilft ihnen, in ihre künstlerische Zukunft und neue aufwändige Werke zu investieren. Die Metapher „geistiges Eigentum“ greift in beiden Bereichen.

Vielleicht macht der Fall Schavan deutlich, dass Mashpussy – repräsentativ für viele Netzapologeten – die Sache etwas einseitig sieht:

Das Urheberrecht zwingt KünstlerInnen in einen Wettbewerb um Originalität. Jeder gegen jeden. Urheber gegen Urheber. Eifersüchtig bewachen sie ihre geistigen Schöpfungen und beäugen argwöhnisch jeden Mitstreiter als potentiellen Dieb und Spion, der es nur auf ihr sogenanntes geistiges Eigentum abgesehen hat. Als Einzelkämpfer haben sie es nie gelernt, ihre Ideen und Werke zu teilen und in einen gemeinsamen Pool an Kreativität zu geben. Dadurch delegitimiert das Urheberrecht die Vorstellung einer Wissensallmende und verkrüppelt soziale Verbindungen.

Wie könnte man ernsthaft solchen Wettbewerb in der Wissenschaft als fördernd gut finden, in der Kunst und Kulturgüterproduktion aber als Bremse ablehnen? Dass kurzsichtige und Individualrechte mit Füßen tretende Gedankenkonstrukte, die diesen Widerspruch tolerieren, aus der Politik verschwinden, ist jedenfalls aktuell wichtiger als die legitime nachträgliche Überprüfung von Doktorarbeiten. Und es ist durchaus seltsam, dass die Überprüfung von Doktorarbeiten ausgerechnet in einer Zeit in Mode kommt, in der mehr denn je über Mashup und die demokratisch-freiheitlichen Aspekte des freien Verwurstens fremder Inhalte philosophiert wird.

AK

PS: Vielleicht haben die Gutachter auch einfach den unermesslichen kulturellen Wert der Arbeit Schavans verkannt. Denn „Kultur ist Kopie und Kopie ist Kultur“, wie bln.fm über Dirk von Gehlens Streitschrift „Mashup. Lob der Kopie“ schreibt. Die Schrift will der Besprechung zufolge mit „begrifflichen Unklarheiten wie dem ‚geistigen Eigentum‘ oder der unsäglichen Kampfparole ‚Raubkopie'“ aufzuräumen. Der Fall Schavan erscheint in einem völlig neuen Licht, denn: „… unsere binär kodierten Begriffe vom famosen Original und dessen schäbiger Kopie sind lediglich Zuschreibenden und damit soziale Konstruktionen.“ Eigentlich unverständlich, dass von Gehlen in der selben Besprechung gesagt wird, er müsse aufpassen, nicht alle Konzepte in einen Topf zu schmeißen und diese zu einem postmodernen Mischmasch zu verrühren. Genau dieses Mischmasch braucht man doch, um sämtliche Fragen von Urheberschaft und Kopie zu egalisieren und die moderne Welt zu ermöglichen, die von Frau Schavan einfach ein bisschen früher erahnt wurde.

KIM DOTCOM, JETZT GEMA IN DICH! AUCH YOUTUBE IST CLEVER!

Lieber Kim Dotcom,

ich verstehe ja, dass du einen MEGA-Hals hast. Da hast du alles so perfekt arrangiert und genau ein Jahr nach dem fiesen FBI-Überfall auf dich und deine altruistische Weltverbesserungsfirma Megaupload dein Comeback inszeniert. Jeder musste vor Rührung heulen. So wie du jedes mal heulst, wenn du Titanic siehst. Vor allem, wenn du so schöne Sachen gesagt hast wie:

MegaKim

Umgeben von deinen Armee-Mädels hatte das richtig Pathos. Ganz großes Kino! Natürlich hast du ein Video davon auf Youtube geshared, denn du bist ja einfach viel großzügiger als die abgezockten Titanic-Produzenten, die das nie machen würden mit ihrem Billig-Scheiß. Aber dann irgend so was hier:

YTGEMAn

Wie sehr dir das weh getan haben muss, armer Kim! Dein Video mit deiner Musik – gesperrt in deinem Geburtsland. Und das nur, weil es technisch möglich ist, obwohl es nicht moralisch ist! Und dann noch von der Scheiß-Copyright-Missbrauchs-Klitsche Gema. Und das nach all deinen Qualen im letzten Jahr. Ja, du hast Recht, das ist unglaublich:

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Wenn man so hintergangen wird, hat man wirklich allen Grund, seine Rechtsabteilung zu konsultieren und eine böse Abmahnung zu schicken:

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Nur, Kim, jetzt gema in dich! THE TRUTH WILL COME OUT, wie du ja fest glaubst. In diesem Fall müsstest du die Wahrheit doch eigentlich in dir selbst finden. Glaubst du wirklich, dass die Gema einfach mal auf Verdacht irgendwelche Videos sperren lässt? Könnte es nicht so sein, dass Youtube diese Sperrungen nach Lust und Laune durchführt, um der Gema ans Bein zu pissen anstatt für Musiknutzung zu zahlen? Das müsstest du doch eigentlich verstehen, Kim. Du pisst doch auch allen ans Bein, die meinen, dass du dich schmarotzerhaft mit Geldern vollstopfst, die es ohne die vielen Filme, Bücher und Musiktitel, die du – weil es technisch möglich ist – an deinen Angelhaken hängst, nie geben würde. Kapiert? Ok, vielleicht willst du Youtube nicht böse sein, weil ihr zu ähnlich seid. Jedenfalls ist doch nichts passiert. Es hat im Internetkrieg leider einfach mal für ein paar Stunden dich als Bauernopfer getroffen. Das ist vielleicht eine neue Rolle für dich. Aber: Mensch Kim, da stehst du doch drüber!

Du musst dich jetzt auch nicht gleich schämen, weil du das Internet doch nicht verstanden hast. Fast Jeder hier im Land denkt, dass die Gema Videos sperren lässt. Sogar die hochkompetente Online-Presse. Erstaunlich, was für eine Massenverblödung die blöde kleine Flimmerkastenfresse angerichtet hat! Es mag dir nicht passen: Du bist nicht allein, Verschlüsselungs-Kim! Auch Youtube ist clever!

Vielleicht hilft es dir, dich mit einem kleinen Spiel abzuregen: Tausch doch mal mit deinen Buddies ein bisschen die Bälle:

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AK

Feyd Braybrook's Blog

zu Wort die Gegenseite

Music Technology Policy

News from the Goolag Since 2006 ~ A survival guide to the creative apocalypse: We follow issues and opinion important to professional creators. Data is the new exposure.

ArtLeaks

It is time to break the silence!

Virch

Notizen

The Trichordist

Artists For An Ethical and Sustainable Internet #StopArtistExploitation

campaignwatchers.de

Kommunikationswissenschaftler beobachten Wahl- und Werbekampagnen

Widerhall

Über Medienarbeit und die Messung ihres Echos

der gespaltene westen

Nachdenken über Lebensaspekte in der postmodernen Welt

Ein Poesiealbum

Ideen/Gedanken/Sinvolles/Sinnfreies

11k2: Das wichtigste Wort ist Nein.

11.200 m/s ist die Geschwindigkeit, die man braucht, um die Erde zu verlassen. Eine gute Metapher für "über den Tellerrand". Oder für "eine von den über 8 Millarden subjektiven Sichtweisen".

Wer ist für diese Sudeleien verantwortlich?

Wir denken, dass wir sind. Wissen es aber nicht.

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