neuemodelle

weiter denken…

Kategorie: Musik und Politik

DER FLUCH DER PIRATEN

Liebe Piraten, euch halte ich für die ultramodernen Politiker des digitalen Zeitalters, die unsere Gesellschaft zukunftsfähig machen. Ihr klebt nicht an alten Denkmodellen wie der Mangelwirtschaft oder der polizeilichen Kontrolle des Bürgers. Ihr seid für Basisdemokratie, ungehindertes Filesharing und ein bedingungsloses Grundeinkommen. Ihr habt verstanden, dass Menschen selbst über komplexe Gesetze entscheiden können, freiwillig für digitalisierte Kulturgüter bezahlen und selbstverständlich ohne finanzielle Notwendigkeit hart arbeiten, um der Gesellschaft einen Gegenwert für den paradiesischen Überfluss zu bieten, den ihr prophezeit. Ich gebe zu: Ich finde euch ein wenig zu zaghaft. So habe ich ermutigt, zu Ende zu denken und freies privates Nachdrucken von Geldscheinen zuzulassen, Steuersätze direkt per Bürgerumfrage gerecht zu bestimmen und Fahrraddiebstahl zu entkriminalisieren. Aber ich weiß: Gut Ding braucht Weil. Dass ihr nun aber im beginnenden Wahlkampf bravourös bewältigte Denkschritte rückwärts gehen wollt, verstört mich ein wenig. Ich habe doch richtig gelesen: Ihr findet es problematisch, dass eure Mitglieder zu großen Teilen nicht bereit sind, ihre Mitgliedsbeiträge zu bezahlen. Zuerst wolltet ihr eure eigenen Landtagsabgeordneten zu Rückzahlungen an die Bundespartei überreden, seid aber am Geiz-Gate gescheitert. Jetzt wollt ihr Mahnungen an arme, treue, unschuldige Mitglieder verschicken? Was treibt euch zu solch einem Rückfall in veraltete Geschäftsmodelle? Ich hoffe, ein paar einfache Überlegungen bringen euch zur Vernunft zurück:

1)   Menschen zahlen freiwillig, wenn ihnen das, was sie bereits umsonst bekommen haben, genug wert ist. Musikern, Filmemachern und Buchautoren sagt ihr doch, sie sollten aufhören, sich auf überkommenes Urheberrecht, Abmahnungen und andere ekelhafte Instrumente zu stützen, um veraltete Geschäftsmodelle zu schützen. Wer etwas kostenlos heruntergeladen hat, zahlt danach freiwillig, wenn ihm das etwas wert ist. Wenn eure Politik euren Mitgliedern etwas wert ist, zahlen sie auch freiwillig!

2)   Eure nicht zahlenden Mitglieder nehmen euch doch nichts weg. Musikern, Filmemachern und Buchautoren sagt ihr doch auch, ihnen entstehe kein Schaden, wenn ihre Werke unentgeltlich auf Tauschbörsen verbreitet werden. Verbreitung macht Werke bekannt, und so gelangen sie viel schneller an (dumme? reiche? altmodische? ehrliche?) Menschen, die freiwillig zahlen. Ihr habt auch verstanden, dass man ein Werk nicht „stiehlt“, wenn man es ungefragt vervielfältigt. Ihr seid als Partei nicht „gestohlen“, weil eure Mitglieder nicht zahlen. Mitglieder machen euch durch beherzten Partei-Eintritt bekannt und betreiben PR für euch. So bekommt ihr mehr (dumme? reiche? altmodische? ehrliche?) Mitglieder, die bereit sind, freiwillig ihren Mitgliedsbeitrag zu bezahlen. Ihr sagt, ein Download sei nicht mit einem Kauf zu vergleichen, da man schließlich niemals all das gekauft hätte, was man aus dem Netz lädt. Also: Viele eurer nicht zahlenden Mitglieder wären nie in eure Partei eingetreten, wenn sie geahnt hätten, dass Zahlung unumgänglich ist. Seht es positiv: Ihr könnt mit erfreulich hohen Mitgliederzahlen werben. Lasst euch jetzt nicht an denen aus, die euch genauso nützen, wie Tauschbörsennutzer den Musikern: Euren nicht zahlenden Mitgliedern!

3)   Ihr wollt doch (kosten)freien Zugang zu Bildung und Kultur. Dürft ihr dann überhaupt Mitgliedsbeiträge verlangen? Das schafft doch künstliche Schranken, künstlichen Mangel an Teilhabe. Oder hat eure Partei mit Bildung und Kultur nichts am Hut?

4)   Ich dachte, Politik macht euch Spaß. Wieso denkt ihr dann so verbissen über Geld nach? Musikern, Filmemachern und Buchautoren sagt ihr doch auch, dass es kein Recht gäbe, von ihrer Tätigkeit zu leben. Wahre Künstler denken nicht an Geld. Wie ist das bei wahren Politikern?

5)   Falls es nur die Schuld der noch geltenden alten Ordnung ist, dass ihr über Geld nachdenken müsst, um euren Wahlkampf bewältigen zu können: Warum nutzt ihr nicht die vielen neuen Geschäftsmodelle, die ihr Musikern, Filmemachern und Buchautoren predigt: Da ist das ultrageniale Crowd Funding, wo in kürzester Zeit hunderttausende von Euros für ein gutes Projekt zusammen kommen. Da ist das Netz mit seinen ultravielfältigen Möglichkeiten der Selbstvermarktung. Ihr könnt auch Fan-Artikel verkaufen, da Menschen bekanntlich Sammler und Jäger sind. Verkauft Augenklappen, Flaggen, Schiffchen oder eingeschweißte Piratenpüpse! Musikern, die am schrumpfenden Verkaufsumsatz leiden, sagt ihr, sie sollten ihr Geld auf ehrliche Weise live verdienen. Warum macht ihr nicht mehr Live-Veranstaltungen, anstatt so viel im unlukrativen Netz herumzudümpeln?

6)   Es hat euch niemand gezwungen, Politiker zu sein. Eigentlich seid ihr selbst am Zug, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Lasst bitte die armen Mitglieder in Ruhe! Setzt ein Zeichen für Toleranz, kulturelle Vielfalt, mehr Bürgerbeteiligung und glaubt bitte wieder an das Gute im Menschen. Mit Mahnungen und Überwachung von Geldflüssen erreicht ihr gar nichts.

Da ich nicht annehmen möchte, dass ihr von Doppelmoral durchtrieben seid, muss wohl ein Fluch auf euch lasten: Der Fluch der Piraten, wonach alles, was sie der Welt an ultragenialen Weisheiten spenden, für sie selbst nicht funktionieren soll. Vielleicht werdet ihr den Fluch los, wenn ihr euch diese drei Affirmationen täglich ins Gedächtnis ruft:

1)   Geiz ist geil! (Eure Abgeordneten und Mitglieder haben es verstanden. Stellt euch der Realität!)

2)   Hunger macht kreativ! (Ihr seid doch Gesellschaftskünstler. Begreift es als Chance!)

3)   Der Ehrliche ist der Dumme! (Schlau ist, wer das zu nutzen weiß. Ihr seid doch schlau!)

Hängt euch dieses Schild vor die Tür und lächelt dem Wahlkampf entgegen:

AK

SHARING IS NOT STEALING (FAHRRADDIEBSTAHL WAR GESTERN)

Die ultramodernen Politiker, die dem Bürger den Milliarden-Gutschein für Musik, Filme und Bücher als „freies Sharing digitaler Inhalte“ in Aussicht stellen, erleben unglaublichen Auftrieb. Der Mob sagt „prost, jawoll“. Etappenziel erreicht. Einzig die gesamtgesellschaftlich wenig relevante Gruppe der Künstler und ihrer Geschäftspartner ist verärgert und fühlt sich ausgebeutet. Nun, da Künstler zwar manchmal lautstark, aber im Herzen doch friedliche Menschen sind, von denen kaum eine Gefahr nennenswerter Anschläge und Racheakte ausgeht, stört das die ultramodernen Politiker nicht sonderlich. Sie sind ja basisdemokratisch ausgerichtet. Da geht es um einfache Botschaften und große – relevante – Volksmehrheiten. Mehr Sorge macht den Ultramodernen daher ein gewisses Image, sie kümmerten sich immer nur ums Netz und die freie Datei-Weitergabe. Digital und verschroben wirkt das auf durchaus relevante Menschen die sich ab und zu im realen Leben bewegen. Doch „bewegen“ ist das Stichwort, und die Kritik ließ die Ultramodernen sofort merken, wie ungeahnt ultragenial ihre Anfangsidee ist, dem Volk teure Musik-Film-Bücher-Geschenke zu machen, für die sie selbst nichts bezahlen müssen. So kamen sie unlängst auf die Idee, dem Bürger auch mehr Real-Life-Beweglichkeit zu schenken. Wie das geht? Einfach durch ein Verbot von Fahrradschlössern und die Aufhebung von privatem Fahrrad-Eigentum. Wer mit offenen Augen durch die Straßen geht, sieht dort doch immer wieder haufenweise Fahrräder, die sinn- und nutzlos mit Metallschlössern an Laternen oder Fahrradständern befestigt sind:

Welch eine Verschwendung von Mobilitätsressourcen.  Eine künstliche Herstellung von Mobilitätsmangel aus rein wirtschaftlichen Gründen! Ultra-unvertretbar! Wäre es hingegen möglich und erlaubt, sich jederzeit ein Fahrrad zu nehmen und irgendwo wieder abzustellen, könnten viel mehr Menschen sich flott und umweltschonend bewegen. Man müsste sich nur von der Vorstellung verabschieden, dass es Diebstahl sei, ein Fahrrad zu benutzen, das man nicht selbst erworben hat. SHARING IS NOT STEALING. Was in der digitalen Welt gilt, muss auf die analoge Welt übertragbar sein, wenn es nicht den Ruf einer Nerd-Philosophie haben soll. Da fiel den ultramodernen Politikern dann prompt auch auf, dass die Drahteselmafia nie einen wissenschaftlichen Beweis erbracht hatte, dass freies Fahrrad-Sharing negative Auswirkungen für den Einzelnen hätte. „Dann werden nur noch Schrottmühlen gekauft, die billig, spaßbefreit, unsicher und gefährlich sind“, „dann repariert niemand mehr sein Fahrrad, und es kommt zu mehr Unfällen“, „dann fährt man irgendwo mit dem Fahrrad hin und kommt nicht mehr zurück, weil das Rad weg ist“ – all diese Vorurteile kommen, da sind sich die Ultramodernen sicher, einzig und allein von der Drahteselmafia. Denn woraus besteht diese Mafia? Aus der Metallwarenindustrie (will an Fahrradschlössern und einer Überzahl von Fahrrädern verdienen), aus Versicherungen (wollen an der lächerlichen Schadensprävention des künstlich kriminalisierten „Fahrraddiebstahls“ verdienen) und aus Fahrradhändlern (sehen nicht ein, dass die direkte Fahrradverbreitung von Mensch zu Mensch das Modell der Gegenwart ist). Die Weissagung der Ultramodernen: Wenn man alles Geld, das derzeit in Versicherungen, Fahrradschlösser und Händlerprämien fließt, zusammen nimmt, reicht das locker für eine Reparatur-Flatrate. Jeder kann ein defektes Fahrrad kostenlos reparieren oder gegen ein neues austauschen lassen. Durch die viel häufigere Benutzung von Fahrrädern wäre das Risiko, irgendwo ohne Fahrrad dazustehen, sogar geringer als im Zeitalter des kriminalisierten Fahrraddiebstahls. Sharing ist die Maxime der Zukunft, nicht nur im digitalen Bereich.

AK

Nachtrag: Und wie immer ziehen die ultramodernen Politiker an einem Strang mit den großen Netzmonopolisten und sichern sich damit eine noch breitere internationale Zustimmungsbasis: So sieht das neue Einheitsfahrrad (der zweirädrige Google-Trabant) aus.

FREIES KOPIEREN – GELD

Ich bin für ungehindertes Nachdrucken von Geldscheinen! Die Technik gibt’s schon lange her. Wir müssen uns dieser Realität endlich stellen. Man kann es letztlich gar nicht verhindern. Diese Verurteilungswellen müssen aufhören. Nur weil jemand Geld nachdruckt, nimmt er niemandem (!) etwas weg. Das kann man also nicht mit Taschendiebstahl vergleichen. Deshalb müssen „Geldfälscher“ (wie sie polemisch von der Geld-Gegenwert-Mafia genannt werden) entkriminalisiert werden. Allein schon der Begriff „Geldfälscher“ zeigt ein völlig abwegiges Verständnis der Realität, denn der zugrunde gelegte Geldschein sieht nach wie vor gleich aus:

Er ist unverändert! Wie kann er dann gefälscht sein? Und wie kann etwas eine Fälschung sein, das neu entstanden ist und haargenau so aussieht wie etwas, das ja auch keine Fälschung ist? Wer einen hochwertigen Drucker und gutes Papier rechtmäßig erworben hat, kann damit im übrigen machen, was er will, solange er nichts zerstört, was einem Anderen gehört. Sinnvoll und wichtig wäre ein Verbot von Wasserzeichen und Metallstreifen als Kopierschutz. Geld ist wichtig für Menschen. Da sollte man keine übertriebenen Barrieren schaffen. Diese Barrieren dienen nur einigen wenigen Lobbyisten, die auch so ans große Geld herankommen. Die Mehrheit der Bevölkerung muss darunter leiden. Ich glaube übrigens im Gegensatz zu einigen kulturpessimistischen Schreihälsen nicht, dass verantwortliche Bürger sich über die Höhe eines angemessenen bedingungslosen Grundeinkommens hinaus zu viel Geld drucken und keine Leistung als Gegenwert erbringen würden. Im Gegenteil. Durch einen modernen Umgang mit Geld können auch Leistungen entlohnt und dadurch vermehrt erbracht werden, die vorher durch die Maschen der verkrusteten Verteilstrukturen gefallen wären. Bürger sollen endlich selbst und ohne Überwachung darüber entscheiden können, ob ihre eigene Erscheinung oder Leistung etwas wert ist. Es muss eine direkte Verbindung zwischen Leistung und Entlohnung geschaffen werden. Alles dazwischen muss weg, vor allem diese monopolistische EZB, die sich nur selbst am Geld aufbläht. Durch die digitale Kommunikation und Nachrichtendienste wie Twitter kann Jeder zu jeder Zeit bekannt geben, was er geleistet hat und das auch dem Ausland gegenüber deutlich machen. Dass es zu wirtschaftlichen Einbrüchen im internationalen Gefüge käme infolge neuer Entlohnungsmodelle, ist im Übrigen wissenschaftlich nicht belegt. Eine aktuelle von einem großen Internetkonzern großzügig gestiftete und unabhängige Studie hat ergeben, dass Menschen – auf sich selbst gestellt – eher zur Bescheidenheit neigen. Man muss sich entgegen alter Vorurteile vor Augen führen, wie viele der gegenwärtig diskutierten Probleme auf einen Schlag gelöst wären, wenn wir uns endlich für einen modernen Umgang mit Geld und Leistungs-Entlohnung entscheiden könnten.

AK

Nachtrag: Die Tatsache, dass handelsübliche Drucker eine Sperre haben müssen, die es verhindert, Banknoten zu drucken, ist ein höchst bedenklicher und moralisch verwerflicher Gesellschaftlicher Missstand, der einen künstlichen Mangel an Banknoten schafft und daher schnellstens zu beseitigen ist. Vielmehr sollte die freie Verbreitung digitalisierter Banknoten gefördert werden, da es ökologisch wie ökonomisch unsinnig ist, dass jeder Mensch sich einen Scanner anschaffen muss. Die Verlogenheit der mafiösen Geldwirtschaft zeigt sich schon darin, dass faktisch eine digitale Verbreitung von Banknoten sogar stattfindet: Jeder Drucker enthält ja, um Banknoten zu erkennen, ein digitales Abbild ebendieser. Aber diese Speicherung wird zu dem negativen Zweck der Mangelherstellung benutzt. Der positive Zweck – eine höhere Geldverfügbarkeit – wird arglistig verhindert.

Feyd Braybrook's Blog

zu Wort die Gegenseite

Music Technology Policy

News from the Goolag Since 2006 ~ A survival guide to the creative apocalypse: We follow issues and opinion important to professional creators. Data is the new exposure.

ArtLeaks

It is time to break the silence!

Virch

Notizen

The Trichordist

Artists For An Ethical and Sustainable Internet #StopArtistExploitation

campaignwatchers.de

Kommunikationswissenschaftler beobachten Wahl- und Werbekampagnen

Widerhall

Über Medienarbeit und die Messung ihres Echos

der gespaltene westen

Nachdenken über Lebensaspekte in der postmodernen Welt

Ein Poesiealbum

Ideen/Gedanken/Sinvolles/Sinnfreies

11k2: Das wichtigste Wort ist Nein.

11.200 m/s ist die Geschwindigkeit, die man braucht, um die Erde zu verlassen. Eine gute Metapher für "über den Tellerrand". Oder für "eine von den über 8 Millarden subjektiven Sichtweisen".

Wer ist für diese Sudeleien verantwortlich?

Wir denken, dass wir sind. Wissen es aber nicht.

Zentrale für subKulturelle Angelegenheiten

Just another WordPress.com site

Waffen - Waffenbesitzer - Waffenrecht

Freiheit - Liberalität - Bürgerrechte

Tobs.Core

Diving Into Action

Steffs Musikblog

ein musikalisches Tagebuch